Viele Kletterer schwärmen über die griechische Insel Kalymnos als DAS Paradies für Sportklettern. Da wir noch nie dort waren, können wir das nicht beurteilen – was wir jedoch auf Grund vieler Erzählungen beurteilen können und was uns gleichzeitig abschreckt ist, dass es auf Grund der Bekanntheit sehr überlaufen ist. Es wird also nicht nur über Kalymnos geschwärmt, sondern wortwörtlich auch dorthin geschwärmt!
Grund genug, dass wir uns nach einer Kletter-Alternative umsehen. Dabei sind uns drei Kriterien für die Wahl unserer Kletterdestination besonders wichtig:
- Angenehme Temperaturen (d.h. für uns 15 bis 25 Grad) bzw. kein/wenig Niederschlag
- Eine große Auswahl an Routen (Sportklettern und Mehrseillängen)
- Je einsamer, desto lieber
Nachdem wir heuer im März bereits auf Kreta waren und die Pausetage bzw. Schlechtwettertage während unserer Skitouren (ja, auf Kreta kann man Skitouren gehen!) mit Klettern in der Schlucht Agiofarago verbracht haben, wollten wir unbedingt wieder hin und weitere Klettergebiete erkunden.
Mehrseillängentouren mit alpinem Flair (oder: auf Albert Prechts Spuren)
Einer der besten Alpinkletterer unserer Zeit, der Österreicher Albert Precht (aus Bischofshofen) hat auf Kreta unzählige Routen eröffnet. (Leider ist Albert Precht 2015 mit seinem Seilpartner Robert Jölli beim Abseilen auf Kreta tödlich verunglückt.) Als Kletterer weiß man, dass seine eleganten Routen nicht immer die einfachsten sind und durch die spärlichen Absicherungen einen recht alpinen Charakter aufweisen. Aber genau das ist der Reiz! Schaffen wir es, oder müssen wir „abprechteln“ (= scheitern der Route und Rückzug)?
Insgesamt konnten wir zwei sehr schöne Mehrseillängentouren von Albert Precht in Monastiraki klettern: Georgos Pillar und Basis70. Für „Georgos Pillar“ benötigten wir zwei Versuche, da wir beim ersten Mal den ersten Stand nicht gefunden haben und somit in die leichtere Route „Basis70“ gequert sind und diese fertig gemacht haben. Beim zweiten Versuch haben wir uns mehr Zeit genommen und konnten den ersten Standplatz nach längerem Suchen finden – deutlich weiter links, als im Topo verzeichnet. Der neuerliche Versuch hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn es ist eine sehr schöne und abwechslungsreiche Route, die man auf keinen Fall missen sollten.
Die dritte Mehrseillängen Tour war in der Perivolakia-Schlucht – ein Canyon mit Alpingeschichte, da Albert Precht jede Route eine:r Alpinist:in gewidmet hat. Wir haben uns für „Gerlinde Kaltenbrunner“ entschieden und haben nach der zweiten Seillänge abgeprechtelt. Wenn das Bauchgefühl nicht stimmt und der Kopf nicht stark genug ist, haben wir in so einer alpinen Route an diesem Tag nichts verloren! Mit dem Hintergrundwissen, wie lange eine (Berg)Rettung auf Kreta benötigt und dass wir an diesem Tag die einzigen Personen in der Schlucht sind, haben wir abgebrochen. Auch wenn zahlreiche Gänsegeier über unseren Köpfen kreisten, so schnell wollen wir ihnen kein Festmahl bereiten. Nach einer kleinen Pause im Meer sind wir zu Sonnenuntergang noch eine kürzere und einfachere Route im Tal der Legenden geklettert.
Unser Kletter-Fazit
Die Kletter-Community auf Kreta ist (noch) relativ klein. Daher ist es nicht ganz einfach, Kletterführer zu finden. Entweder sind diese vergriffen oder schon etwas veraltet. Dennoch zahlt es sich allemal aus, einen Kletterurlaub auf der griechischen Insel zu verbringen! (Idealerweise in den bei uns kälteren Monaten Oktober bis April.)
Kreta ist ein einzigartiges Kletterparadies mit unzähligen Möglichkeiten: von alpinen Mehrseillängentouren bis hin zu tollen Sportklettergärten ist für jede:n etwas dabei! Die Felsqualität ist meistens sehr gut (bei den MSL-Touren mit etwas Vorsicht zu genießen) und auch die Absicherungen sind meistens vertrauenswürdig. (Bei den Routen am Meer oder in der Nähe heißt es etwas aufpassen, hier sind die Absicherungen manchmal etwas rostig und das Salzwasser hinterlässt seine Spuren.)
UND: In vielen Schluchten tummeln sich zahlreiche Gänsegeier, die während des Kletterns über einem schweben oder neugierig vorbeifliegen. Das hat uns beim Klettern immer wieder Zeit „gekostet“, da wir aus dem Staunen nicht herausgekommen sind. Ein Schauspiel, dass man bei uns nicht so leicht erlebt und das wir genießen wollten.
[Touren vom 23-28/10/2022]
Übersicht unserer Klettergebiete
Die folgenden Klettergebiete zeichnen sich durchwegs durch eine sehr gute Felsqualität und sehr gute Absicherungen aus (meist relativ neue Bohrhaken und Tops zum Umfädeln):
- MSL-Kletterrouten: 20 Routen (überwiegend von Albert Precht)
- Schwierigkeitsgrad: IV bis IX+
- Zustieg: ca. 20 Minuten vom Parkplatz bei der Taverne Kapilio im Dorf Monastiraki
- Tipp #1: Beim Zu- und Abstieg entweder sehr bedacht gehen oder eine lange Hose anziehen, da man sich durch unwegsames Dornengestrüpp durchkämpfen muss.
Tipp #2: Beim Abstieg unbedingt in der Taverne „Kapilio“ einkehren!
- MSL-Kletterrouten: 50 Routen (überwiegend von Albert Precht)
- Schwierigkeitsgrad: IV bis VIII+
- Zustieg: je nach Route zwischen 5 bis 60 Minuten vom Parkplatz am Meer direkt gegenüber der Schlucht
- Tipp #1: Canyon und Kletterrouten mit Alpingeschichte.
Tipp #2: Eventuell Fernglas oder eine gute Kamera für die zahlreichen Gänsegeier.
- Sportkletterouten: 5 Sektoren mit über 20 Routen
- Schwierigkeitsgrad: V bis VIII-
- Zustieg: ca. 30 Minuten vom kleinen Fischerdorf Agios Ioannis (südlich von Kapetaniana)
- Tipp #1: Vernünftiges Schuhwerk für den Zustieg über die Klippen.
Tipp #2: Vorzugsweise vormittags klettern, da sich der Fels (Konglomerat) tagsüber stark erhitzt.
- Sportkletterouten: 15 Sektoren mit über 120 Routen
- Schwierigkeitsgrad: V bis X+ (vorwiegend im VI und VII Grad)
- Zustieg: je nach Route zwischen 15 und 30 Minuten. Entweder durch die Schlucht (Moni Odigitrias) oder über den Wanderweg über die Klippen (Kali Liménes)
- Tipp #1: Badesachen mitnehmen.
Tipp #2: Essen und Trinken mitnehmen, da es keine Einkehrmöglichkeit in der Nähe gibt. (Manchmal steht am Parkplatz ein Foodtruck, jedoch nicht in der Nebensaison!)
Tipp #3: Nicht unter Bäumen parken und Essen gut im Rucksack verstauen. Die vielen Ziegen sind sehr kreativ, wenn es ums Fressen geht.
Es gibt noch eine Vielzahl an weiteren interessanten Klettergebieten wie Kapetaniana (über 140 Routen), Plakias (über 120 Routen) sowie im Norden und Osten der Insel, wofür die eine Urlaubswoche aber einfach zu kurz gewesen ist.